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Julian Assange: Terrorist, Agent, Journalist oder Retter?

Erman Oran

Seit Ende November brachte Wikileaks mit der Veröffentlichung von mehr als 250.000 Geheimdepeschen von US-Diplomaten die Welt durcheinander. Die Politiker hatten wohl zuerst daraufhin sehr ruhig regiert. Sie wollten die Inhalte der Dokumente anschauen und wissen, was ihre großen Brüder und Verbündeten gegen den internationalen Terrorismus, US-Kollegen von ihnen halten. Jetzt herrscht überall, an den internationalen Finanzmärkten, Börsen, Banken, Innenpolitik, Außenpolitik usw. helle Aufregung. Anstatt die Beute von Wikileaks zu sein, haben sie beschlossen, selber Jäger zu werden. Sie nahmen die beste Strategie aus ihrer vertrauensvollen alten Schublade heraus. Diese Strategie heißt: „Angriff statt Verteidigung“. Jetzt wird überall in den Medien und in der Politik über den 39-jährigen Australier Julian Assange, Wikileaks-Gründer, diskutiert und die Frage gestellt, ob er ein Terrorist, Agent, Journalist, Häcker, Geheimnisverräter, Krieger oder moderner Robin Hood ist? Die Fragen kann man noch weiter stellen und vermehren, aber ist das der  richtige Weg? Muss man die Persönlichkeit von Assange, der vom Jäger zum Gejagten geworden ist, diskutieren? Wichtig ist doch, was Wikileaks gezeigt hat. Hierzu müssen die richtigen Fragen gestellt werden: „Wird es nie wieder so sein, wie früher?“ oder „Gibt es etwa ein Kampf zwischen den Verbündeten statt einen Kampf gegen den internationalen Terrorismus?“. Die anderen Fragen überlassen wir der Boulevardpresse.

Welches Ziel hat Wikileaks?
Die Internetplattform Wikileaks hatte schon im Jahr 2009 zahlreiche Geheimdokumente des US-Militärs zum Krieg in Afghanistan veröffentlicht, und den „kleinen, ahnungslosen“ Menschen gezeigt, wie grausam der Afghanistankrieg wirklich war. In einem Interview sagte er: „Wir leben alle nur einmal. Deshalb sollten wir in unserer Zeit etwas Sinnvolles und Befriedigendes anstellen. Das hier ist so etwas für mich. Ich mag es, große Systeme zu entwickeln, und ich genieße es, Menschen zu helfen, die verletzbar sind. Und ich mag es, den Mächtigen in die Suppe zu spucken. Diese Arbeit macht mir wirklich Spaß.“ An der Glaubwürdigkeit hatte man keinen Zweifel.
USA: Big Brother
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatten sich alle westlichen Länder mit Amerika solidarisch im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gezeigt. Die Bevölkerungen wurden von Politikern und Medien überzeugt, wie nötig ein Krieg im Irak oder in Afghanistan sei. Überall wurden Kameras hingestellt, E-Mail- und Telefongespräche gespeichert,  Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen verschärft und Nackt-Scanner eingesetzt usw. Das Volk musste und muss vom Überwachungsstaat wie vom „Grossen Bruder“ überwacht werden, damit das Menschen ohne Angst leben können. Bis zur Veröffentlichung der brisanten US-Dokumente hatten die Überwacher geglaubt, dass Sie selbst nicht überwacht werden. Jetzt müssen sie feststellen, dass die US-Vertreter im Ausland, über sie selber die gleichen, tollen und wissenschaftlichen Berichte geschrieben haben. Diese Diplomaten hatten ihre Verbündeten u.a. als: „Teflon“, „unberechenbarer Politiker mit begrenztem Horizont“, „enger Freund der USA“, „aggressiv mit zwiespältigem Verhältnis zu den USA“, „wilde Feste“, „Kaiser ohne Kleider“, „versteckte islamitische Agenda“ bezeichnet.
Wir lieben uns
Nach den ersten Schocks versicherte Außenamtssprecher Philip Crowley in Washington, dass die Entsandten der US-Regierung keine Spione seien. „Unsere Diplomaten sind genau, was sie sind: Diplomaten“, so Crowley. Außenministerium des großen Bruders betonte, dass es keine Anweisungen des US-Außenministeriums zum Sammeln von Informationen über ausländische Führungspersönlichkeiten gibt.
Die Verbündenten, wie Deutschland, Türkei, Italien, Aserbeidschan und arabische Länder, haben Ihren großen Bruder die Treuherzigkeit gezeigt. Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte in Berlin, die Dokumente belasteten nicht die guten bilateralen Beziehungen: „Die Auswirkungen auf das deutsch-amerikanische Verhältnis sind nicht nennenswert. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist robust, fest und in keiner Weise durch diese Veröffentlichungen getrübt.‘  Zwischen beiden Ländern gebe es eine in Jahrzehnten gewachsene tiefe Freundschaft, die auf solche gemeinsamen Werten beruhe, dass sie durch diese Veröffentlichungen nicht ernsthaft beschädigt wird“.
Die Schmutzkampagne     gegen Wikileaks und         Assange
Wikileaks-Gründer Julian Assange wurde von Interpol gesucht. Nicht etwa wegen der Veröffentlichung der Geheimdokumente von US-Diplomaten, sondern wegen der gegen ihn in Schweden erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe. Er hat sich nun in London der Polizei gestellt. Der Hass „der Opfer“ von Wikileaks auf Assange ist furcheregend. Seine Kindheit und Vergangenheit wird von den Opfern nach irgendetwas durchsucht, dass man gegen ihn verwenden kann. Die, die über die Meinungs- und Medienfreiheit sprechen, sind von der Bildfläche einfach verschwunden. Zum Beispiel: Amazon hat die Enthüllungsplattform -offenbar auf politischem Druck- sofort von seinen Servern verbannt. Seit Tagen können User die Webseite von Wikileaks nicht erreichen.
Chefredakteure, Publizisten, Medienikone diskutieren, ob Julian Assange überhaupt ein Journalist ist. Die Antwort geben sie sich selbst. Patrik Müller, Chefredaktor der NZZ: „Wikileaks hat nichts mit Journalismus zu tun“. Martin Spieler, Präsident der Konferenz der Schweizer Chefredakteure: „Von einer journalistischen Bankrotterklärung zu sprechen, ist Unsinn… Die Daten müssen gewichtet, analysiert, interpretiert und kommentiert werden.“
Julian Assanges Antwort lautet: „Wir sagen eindeutig und glasklar, was wir veröffentlichen und was nicht. Es gibt bei uns keine Ad-hoc-Entscheidungen. Wir veröffentlichen prinzipiell die Primärquellen zu unseren Texten. Zeigen Sie mir einen anderen Medienbetrieb, der solche Standards hat… Wir haben Fälle herausgefiltert, bei denen Gefahr für Unschuldige bestehen könnte und das Material entsprechend bearbeitet.“

Die schmutzige Weltordnung
Nach dem Zusammenbruch der Berliner Mauer schrieb der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in einem Assay und seinem späteren Buch mit dem gleichen Titel das „Ende der Geschichte“. Mit diesem Begriff meinte er, gäbe es keine Kriege mehr und man könne anfangen, die Bedürfnisse der Menschheit abzudecken. Doch dem war nicht so. Und nach dem 11. September wurde eine neue These gesellschaftsprägend: „Kampf der Kulturen“, die neue Doktrin für Verbündete und die Alliierten. Julian Assange und seine Kollegen zeigen uns, wie die neue Weltordnung hergestellt wird und die Politik befindet sich bis in den Hals in ihrem eigenen Abwasserkanal. Die Alliierten haben kein Vertrauen untereinander und der große Bruder führt auf der Welt für eigene Interessen einen Krieg, da werden auch die Verbündeten nicht geschont!
Die linksliberale Tageszeitung „El País“ in Spanien schreibt: „Die jüngsten Enthüllungen zeigen nicht, dass die USA gegen Gesetze verstoßen haben. Sie beweisen aber, dass die amerikanischen Stellen zu sehr zur Geheimniskrämerei neigen (…) Die Enthüllungen offenbaren auch den Niedergang der amerikanischen Führung in der Weltpolitik.“ Die Enthüllungen haben deutlich gemacht, was die Begriffe „Partnerschaft und Weltordnung“ für „enge Freunde“ bedeuten: Doppelzüngigkeit, Plünderung, Blutvergießen, Korruption und Rüstungswettlauf.
Julian Assange ist nur ein Mensch
Julian Assange wurde für viele Leute ein Phänomen und ein lebendes Mythos. Der hat auch jetzt unter seinem Namen eine Fangruppe im Facebook. Viele sehen Wikileaks als moderne Robin Hoods gegen Regierungen, Militär, korrupte Unternehmen, Börse. Er wird in den Forumsseiten gelobt: „Weiter so Assange“ und „Wir sind bei dir“. Anscheinend hat Wikileaks nicht nur die Enthüllten erzürnt, sondern auch Millionen von Menschen erfreut die diese „Unnahbaren“ bloßgestellt hat, unabhängig  von der Peron Julian Ansange. Er selber sagt, dass er wie viele andere Menschen von einer gerechten Welt träumt.: „Die gefährlichsten Männer sind diejenigen, die Krieg führen. Wir müssen sie stoppen… Echte Reformen kann es nur geben, wenn ungerechte Handlungen entlarvt werden. Am besten geht man gegen Ungerechtigkeiten dann vor, wenn sie noch gar nicht begangen wurden, wenn es nur den Plan gibt – dann kann man sie noch stoppen“ so Assange.
„Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach alles Schlechte über die Welt herein, doch sie brachte auch die Hoffnung.“

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