Written by 11:25 HABERLER

8,50 Euro Mindestlohn nur ab 25? – Die Regierung feilscht über die Zukunft der Jugend

 

 Nach Jahren des Kampfes und politischen Drucks durch die Gewerkschaften hat die Große Koalition (GroKo) aus CDU/CSU und SPD verabredet, dass „zum 1. Januar 2015 ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde für das ganze Bundesgebiet gesetzlich eingeführt wird.“ So steht die Formulierung auf Seite 68 im Koalitionsvertrag. Doch so eindeutig, wie es klingt, ist es nicht, denn in einer Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2017 seien Ausnahmen für tariflich vereinbarte Entgelte unter 8,50 Euro möglich.

Nicht lange hat es gedauert, bis die erste Ausnahme seitens der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in den Raum geworfen wurde. Nach ihrem Willen sollen unter 18-Jährige vom allgemeinen Mindestlohn ausgeschlossen werden, mit der Begründung, dass sie in dem Falle eines Mindestlohnes von 8,50 € lieber einen Nebenjob als einen Ausbildungsplatz annehmen würden.

Nach Berechnungen ihres Ministeriums werden ab Januar nächsten Jahres 3,7 Millionen Menschen vom flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn profitieren, allerdings verdienen gut fünf Millionen Beschäftigte in Deutschland weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Würde die Bundesregierung diesen Forderungen nach Ausnahmen vom Mindestlohn nachgeben, erhielten demnach zwei Millionen dieser Niedriglohnbeschäftigten keinen Mindestlohn, denn nicht nur Minderjährige, sondern auch Studierende, Rentner, Auszubildende, saisonal befristet Beschäftigte, Taxifahrer und Langzeitarbeitslose sollen von dieser Ausnahme betroffen sein.

 

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) schlug sogar eine Altersgrenze für den Mindestlohn von 21 Jahren vor, um Aushilfsjobs für Schulabgänger noch unattraktiver zu machen.

 

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka meinte, dies noch übertreffen zu müssen und spricht sogar von einem Mindestlohn ab 25 Jahren, mit der Begründung, dass fast 60 Prozent der Jugendlichen älter als 18 Jahre seien, wenn sie eine Ausbildung beginnen würden. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist derselben Ansicht und meint, die bislang vorgeschlagene Altersgrenze von 18 Jahren sei viel zu niedrig. Sie fordert eine Einführung des Mindestlohnes erst für Beschäftigte über 25 Jahren. Nahles lehnt „gnädigerweise“ eine zu großzügige Altersgrenze jedoch ab. Sie fürchtet, dass Unternehmen dann einen neuen Niedriglohnsektor für junge Leute schaffen könnten.

 

 

 

Ausreichende Ausbildungsplätze statt Mindestlohn-Diskussion

 

Gegen diese Pläne wurde unmittelbar nach Ankündigung Protest eingelegt. Hier veröffentlichen wir einige Stellungnahmen und Erklärungen.

 

Florian Haggenmiller, DGB-Bundesjugendsekretär:
Jugendliche dürfen nicht zu Arbeitnehmern zweiter Klasse gemacht werden. Es ist vollkommen unverständlich, warum Jugendliche zukünftig für die gleichen Tätigkeiten schlechter entlohnt werden sollen, als Beschäftigte über 18. Es ist völlig unrealistisch, dass junge Menschen durch den Mindestlohn von einer Ausbildung abgehalten werden und stattdessen einen Aushilfsjob annehmen. Junge Menschen legen Wert auf eine gute Ausbildung und wenn sie einen Aushilfsjob annehmen, dann nur aufgrund eines mangelnden Angebotes an guten Ausbildungsplätzen. Es bleibt dabei: der Mindestlohn muss ohne Ausnahmen für alle Arbeitsverhältnisse eingeführt werden.

 
Cigdem Ronaesin, Vorsitzende der DIDF-Jugend:
Der Mindestlohn muss für alle geltend sein, ohne Ausnahme. Jeder zweite unter 25 Jahren ist Geringverdiener in Deutschland. Das muss ein Ende haben! Unsere Generation ist von prekärer Beschäftigung und Zukunftsängsten geprägt. Dann auch noch den Mindestlohn nicht für alle geltend zu machen, ist ein fataler Fehler. So eine Diskussion wird von uns nicht akzeptiert. Zu glauben, dass junge Menschen einen Nebenjob gegenüber einer Ausbildung oder dem Studium vorziehen, ist eine Frechheit.

 

 

 

Immanuel Benz, Bundesvorsitzender der SJD – Die Falken:

Junge Menschen sind keine Arbeiter zweiter Klasse. Auch ein Mindestlohn von 8,50 € ist ein Niedriglohn. Schon heute müssen Azubis mit sehr wenig Geld auskommen und entscheiden sich –wenn sie den die Möglichkeit haben- dennoch bewusst für eine Ausbildung. Statt mit absurden Begründungen einen Ausschluss junger Menschen vom Mindestlohn zu fordern, müssen wir über ausreichende Ausbildungsplätze, deren Qualität und eine Mindestausbildungsvergütung reden!

 

 

 

Ismail Cebe, DGB-Jugendsekräter für Mülheim, Essen, Oberhausen:

Mit solchen Ausnahmen vom Mindestlohn wird vor allem Jugendlichen in der Ausbildung (durch die Doppelbelastung Schule und Beruf) ein eindeutig negatives Signal gesendet wird. Eine Demotivation und ein Benachteiligungsgefühl ist hierbei sicherlich die Folge. Wir als Gewerkschaft fordern: Keine Ausnahme vom Mindestlohn! Wir reden hier von einer Altersdiskriminierung. Das Argument, junge Menschen werden von einer Ausbildung abgehalten, nur weil sie durch einen Mindestlohn mehr verdienen könnten, ist nicht tragbar. Auch jetzt können diese Jugendlichen mehr verdienen, als in der Ausbildung, dennoch entscheiden sich die Jugendliche für die Ausbildung, weil sie wissen, dass sie es ohne Ausbildung nicht weit bringen werden. Wir haben uns bereits in mehreren Medien, regional und überregional, dazu geäußert. Wir haben ein Signal ausgesendet und sollte es ernst werden, wird es sicherlich auch Kampagnen dazu geben.

 

 

 

David Freydank, Referent für Hochschulpolitik und politische Bildung, AStA Duisburg-Essen:

Ich halte Nahles` Versuch für einen nicht zu rechtfertigenden Vorstoß, um einzelnen Gruppen mit schwacher politischer Vertretung, das Recht auf Mindestlohn zu entziehen. Von Nahles ist es ein Eingeständnis an die Wirtschaftslobby und den Koalitionspartner CDU. An der Debatte zeigt sich, wie weit die SPD bereit ist, ihre vermeintliche arbeitnehmerfreundliche Positionen aufzugeben, um Koalitionsfähig mit der CDU zu bleiben und Regierungsämter besetzten zu können. Die Forderung nach einem Mindestlohn wird wieder ausgehöhlt. Viele werden wohl behaupten, dass dies nicht so sei, weil junge Menschen weniger Berufserfahrung besäßen und mit dem Alter von selbst aus dieser Benachteiligung herauskommen. Allerdings wäre der Ausschluss vom Mindestlohn nur eine weitere Benachteiligung unter vielen. Die meisten jungen Menschen arbeiten unter höchst prekären Verhältnissen, viele gar in unbezahlten Praktika. Der Mindestlohn ist daher nicht das einzige und vielleicht nicht das größte Problem für junge Menschen, aber er wird ihre Benachteiligungssituation mit Sicherheit verschärfen.

Pinar Aki – Silan Kücük

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