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Ahmet Kaya: Kritiker oder Quotenfänger?

Özgün Kaya

„Öldükten sonra değil, şimdi anlaşılmak istiyorum“, sagte eins der kurdische Volksmusiker Ahmet Kaya. Übersetzt: „Ich will nicht nach dem Tod, sondern jetzt verstanden werden“. Harte Worte, welche einen harten Lebenslauf widerspiegeln. Denn Ahmet Kaya war Kurde und politisch links. Jedes für sich war schon gefährlich, doch beides zusammen kann in der Türkei tödlich sein.

Ahmet Kaya gilt in der linken, wie auch in der kurdischen Szene als eine Legende, als ein Idol. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, brach die Schule vorzeitig ab und beschritt mit Gelegenheitsjobs seine jungen Jahre. Doch er hatte zwei Leidenschaften: Eines war die Menschlichkeit und die zweite war die Musik – die türkische Volksmusik. Dies sollte ihm später sehr oft Ärger mit dem türkischen Staat bringen. Den ersten Kontakt zur Musik hatte er schon früh. 1977, mit Anfang 20, trug er zu einer Gedenkfeier für den Dichter Nazim Hikmet Gedichte vor und kam deshalb für 3 Monate in Haft. Nach der Haft investierte er viel Zeit in die Musik und wurde somit zum Pionier der „Özgün Müzik“. Diese neue Musikrichtung vereinte seinen politischen Glauben mit der anatolischen Kultur. Der Höhepunkt seiner musikalischen Arbeit war zwischen Mitte 80`er und Anfang 90`er Jahre – zwangsweise früh beendet. Denn natürlich war er dem türkischen Staat ein Dorn im Auge: ein kurdischstämmiger Mann der über Nacht hunderttausende Menschen bewegt und auf der Bühne linke Parolen und von dem friedlichen Zusammenleben von Kurden und Türken spricht. So wurden seine Konzerte gestrichen und verboten, Lieder nicht im Radio gespielt, Musikvideos nicht ausgestrahlt, Zeitungen beschimpften und verunglimpften ihn, Morddrohungen erreichten ihn und seine Familie. 1999 erreichte dies alles seinen Gipfel und ihm drohten 12 Jahre Haft. Ahmet Kaya floh allein nach Frankreich ins Exil. Doch die türkische Presse, wie auch der Staat ließen nicht los. Ahmet Kayas Leben im Exil war geprägt durch Sehnsucht nach Familie und Heimat und tiefer Trauer. Schließlich verstarb er im Jahre 2000 an einem Herzinfarkt, fernab von der Heimat, in Paris. Er wurde auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt, neben Gleichgesinnten wie dem ebenfalls im Exil verstorbenen linken Schauspieler und Regisseur Yilmaz Güney.

Doch heute werden Ahmet Kayas Werke als Begleitmusik zur Dramatisierung in türkischen Serien benutzt. Während im Fernsehen ein charismatischer Schauspieler um seine verzwickte Serien-Liebesbeziehung trauert, wird im Hintergrund Ahmet Kaya gespielt. Eine andere Serie erzählt die Geschichte von vier in der Jugendstrafanstalt missbrauchten und vergewaltigten Kindern, angelehnt an den US-Film „Sleepers“, doch leider real in der Türkei. Auch diese „neuartige“ Serie nutzt Ahmet Kayas Musik und die Wirkung dieser. Denn, wenn auch nicht im Mainstream, hören viele Jugendliche seine Lieder sehr gerne. Man kann sagen, dass es erfreulich ist, dass seine Musik auch die heutige Generation erreicht. Doch in welchem Kontext dies stattfindet, ist sehr wichtig. Denn seine Arbeit sollte für Größeres bestimmt sein, nicht für die plumpe TV-Unterhaltung, vor allem nicht, um mehr Drama-Wirkung in merkwürdigen Liebesszenen zu erreichen und Serien aufzupeppen. Wenn man seine Musik wieder in die Öffentlichkeit bringt, dann sollten seine politische und menschlichen Aussagen im Mittelpunkt stehen und nicht die Quoten, die sein Name und seine Musik einbringt. Denn bis vor kurzem noch beschimpften ihn die türkischen Medien mit Großbuchstaben in den Schlagzeilen als „Verräter“ und „Vaterlandsfeind“. Ein hervorragendes Beispiel, wie schlagartig und schnell die Gier für Profit die Meinung ändern kann…

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