Written by 16:32 Allgemein

Arbeiten reicht nicht aus

Onur Kodas

Pünktlich zum Jahresende veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit (BA) die aktuellen Arbeitslosenzahlen. Demnach verloren im vergangenen Jahr 2,8 Millionen weitere Menschen ihre Arbeit. Die meisten von ihnen bekamen aber  eine doppelte Ohrfeige. Denn neben ihrer Arbeitslosigkeit, hatten sie auch kein Recht auf  Arbeitslosengeld I (ALG I). Das bedeutet, dass sie trotz einer ausgeführten Arbeit sofort zu ALG II-Empfängern werden und Hartz-IV beziehen müssen. Statistisch gesehen waren es im vergangenen Jahr 737.000 Menschen, die direkt vom Beschäftigungsverhältnis ins ALG-II rutschten. Damit ist jeder vierte auf Hartz-IV angewiesen.

BA: eindeutige Gründe  
Laut BA gibt es zwei wesentliche Gründe für diese Misere: Entweder die geringe berufliche Qualifikation der meisten Betroffenen oder diese waren nicht lang genug in einem Beschäftigungsverhältnis. „Entweder war die Beschäftigungszeit zu kurz, um Ansprüche zu erwerben, oder das früher erzielte Lohneinkommen war zu niedrig, um mit dem daraus abgeleiteten Arbeitslosengeld-Anspruch den Bedarf zu decken und muss mit Arbeitslosengeld II aufgestockt werden“, heißt es in der öffentlichen Begründung. Um Arbeitslosengeld I in Anspruch nehmen zu können, muss ein Arbeitsloser, bevor er seine Arbeit verloren hat, mindestens zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Sind die Voraussetzungen gegeben, so erhält ein Alleinstehender für ein Jahr monatlich 812 Euro. Im negativen Falle, muss der Arbeitslose einen Antrag auf ALG II stellen. Die BA unterscheidet weiter zwischen den unqualifizierten- und den Fachkräften. Während 43 Prozent aller unqualifizierten Arbeiter direkt Hartz-IV beanspruchen mussten, sind es bei den Fachkräften im Vergleicht „nur“ 19 Prozent.  Folge des ganzen ist, dass mittlerweile jeder fünfte keinen Anspruch auf ALG I hat und auf Hartz IV angewiesen ist. Ein Zustand, der ebenfalls ins Auge fällt, ist, dass jeder Dritte, der sofort in den Hartz IV-Status fällt, vorher in einer Leihfirma beschäftigt war. Und es scheint noch lange nicht das Ende der Fahnenstange zu sein. Denn die Tendenz ist steigend.

Logische Konsequenz
So schmerzhaft diese Zahlen auch seien mögen, umso deutlicher zeigen sie, dass sie doch eine logische Konsequenz aus dem Ganzen sind. Mit dem Abbau des Sozialstaats und der Vernichtung von Arbeiterrechten ist nun der jetzige Zustand eingetreten. „Seit die Arbeitsmarktreformen vor sechs Jahren durchgedrückt wurden, haben Geringverdiener nichts mehr zu lachen. Die Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien würden immer mehr Beschäftigte in eine Erpressungssituation treiben, in der sie auch schlechtbezahlte Arbeit annehmen müssten, um Hartz-IV zu entgehen“, kommentiert Ingo Schlüter, der Landesvize des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Einer Studie des DGB zufolge hat die Vollzeitbeschäftigung im Niedriglohnsektor zugenommen. Dies zeigte sie am Beispiel des Nordostteils der Bundesrepublik:  2009 arbeiteten von den 375 400 sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten schon fast jeder Vierte für einen Monatslohn von weniger als 1367 Euro. Im Jahr 2000 waren es 20 Prozent. Vor allem Frauen seien davon betroffen. In dem Papier heißt es: „Der Niedriglohnsektor ist weiblich“. Jede dritte vollzeitbeschäftigte Frau in Mecklenburg-Vorpommern arbeite für einen Niedriglohn, bei den Männern sind es 16,6 Prozent. Mittlerweile müssen 4,8 Millionen Menschen vom Niedriglohnsektor leben. Besonders betroffen sind die Beschäftigten aus dem Dienstleistungsgewerbe. Ein Neuangestellter z.B. bei Mc Donalds fängt mit einem Stundenlohn für 6,65 Euro an. Drei von vier Vollzeitangestellten arbeiten für Löhne unterhalb der Niedriglohngrenze. Diese liegt bei zwei Drittel des Durchschnittslohns – im Osten 1379 Euro im Westen 1890 Euro. Das hat zur Konsequenz, dass diese Menschen auch mit Arbeit arm sind und deshalb die staatliche Grundsicherung Hartz IV zusätzlich beanspruchen müssen. Infolge dessen zahlen sie nicht in die Arbeitslosenversicherung ein und haben somit auch im Falle der Arbeitslosigkeit kein Anspruch auf ALG I.

Gesetzlicher Mindestlohn muss her
Derzeit streiten mittlerweile alle Parteien über den „Gesetzlichen Mindestlohn“. Die CDU/CSU prahlt damit, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn in ihr Parteiprogramm für 2012 aufgenommen habe. Es werde nur darüber gestritten, wie hoch er sein solle. Dabei spricht diese soziale Misslage eine eindeutige Sprache. Zum einen verdeutlicht sie, dass ein gesetzlicher Mindestlohn unabdingbar ist. Zum anderen zeigt sie aber auch, dass es ein gesetzlicher Mindestlohn sein muss, von dem die Menschen auch leben können. Von einem Mindestlohn in Höhe von 7-8 Euro können die Menschen besonders in Zeiten der Krise nicht leben. Daher ist der Mindestlohn mindestens in Höhe von 10 Euro ein Muss.

Close