Written by 12:36 HABERLER

Die Bosse haben zwei Gewerkschaften, die Arbeiter aber keine einzige

AHMET YAŞAROĞLU
Diese Überschrift bringt wohl die Situation der Metallarbeiter auf den Punkt. Die Metallarbeitgeber hatten in diesem Arbeitskampf zwei Gewerkschaften, die Arbeiter dagegen keine einzige. Eine der Gewerkschaften der Arbeitgeber war der Unternehmerverband in der Metallbranche MESS, die bekannt für ihre arbeiterfeindliche Haltung ist. Sie brauchten aber eine zweite Gewerkschaft, die sie dabei unterstützt, ihre Herrschaft über die Arbeiter zu festigen. Diese Rolle übernahm die Türk Metal. Die Bosse befahlen, die Führung von Türk Metal befolgte. Sonst hätte man in den Betrieben keine Friedhofsruhe durchsetzen können.
Der Arbeitskampf der Renault-Arbeiter zeigte allerdings eines deutlich: diese Herrschaft und die Friedhofsruhe stehen auf sehr wackligen Beinen und stürzen ein, wenn die Arbeiter ihre Einheit schaffen und entschlossen den Kampf aufnehmen. Die Gewerkschaftsführung stand auf der Seite der Arbeitgeber. Die Arbeiter hatten jedoch ihre eigene Organisation aufgebaut und sich um diese vereint. Dies hielt bis zum Ende des Kampfes. Die Arbeiter setzten ihre Forderungen durch und beendeten ihren Kampf mit einer abschliessenden Aktion. Das von ihnen entfachte Feuer griff auf weitere Betriebe über. Die Belegschaften von Türk Traktör, Ford und anderen Betrieben nahmen den Kampf auf und werden ebenfalls siegen, wenn sie ihren Kampf entschlossen und in Einheit fortsetzen.
Bei diesen Arbeitskämpfen wurde deutlich, in welch erbärmlicher Lage sich die Gewerkschaftsführung befindet und wie es bei der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiter aussieht. Die bewussten Arbeiter kannten zwar diese Situation, allerdings weiß jetzt auch die Öffentlichkeit, die es bisher nicht wahrhaben wollte, wie es an dieser Front aussieht. Die Arbeiter haben kein bisschen Vertrauen in die Führung der Gewerkschaften und deren Dachverbände. Was kann sonst erklären, dass die Arbeiter nicht in Scharen in eine andere Gewerkschaft eintreten?
Keine der Gewerkschaften in der Metallbranche war in der Lage, die Arbeiter zum Eintritt aufzurufen und ihnen zuzusichern, dass sie im Falle eines Masseneintritts einen außerordentlichen Kongress einberufen und die Vertretung der neuen Mitglieder ermöglichen würde. Das hätte man auch nicht erwarten können. Denn die Arbeiter hatten den von ihnen ausgehandelten Tarifvertrag nichtig gemacht. Es gab einige Aufrufe von Gewerkschaften, neue Verwaltungsstellen einzurichten. Diese waren jedoch kaum Ernst gemeint und auch kaum zu hören. Die Arbeiter folgten auch diesen Aufrufen nicht, weil sie ihre eigenen Erfahrungen mit diesen Gewerkschaften gemacht hatten.
Die Arbeiter wissen aus eigener Erfahrung, dass diese Situation nicht langfirstig haltbar ist. Sie müssen ihre Einheit und Entschlossenheit beibehalten und eine Entscheidung treffen. Entweder müssen sie geschlossen einer Gewerkschaft beitreten und dort ihren Kampf für gewerkschaftliche Demokratie fortsetzen. Oder sie müssen sich auf den Weg machen, um eine neue Gewerkschaft und einen neuen Dachverband aufzubauen. Wenn man sich die Unruhe anschaut, die der Arbeitskampf auch in anderen Branchen ausgelöst hat, sieht man, dass dieses Vorhaben nicht unbedingt illusorisch ist. Wenn man diesen Weg einschlägt, würde dies zu einem Sieg über die derzeitige Gewerkschaftslandschaft, aber auch über die bestehenden Arbeits- und Gewerkschaftsgesetze führen, die die versteinerte Gewerkschaftsbürokratie begünstigen und fördern. Die Arbeiter diskutieren im Moment über alle Möglichkeiten und werden eine abschließende Entscheidung treffen. Die Renault-Arbeiter übernahmen in den letzten Wochen als eine Quasi-Gewerkschaft defacto eine Führungsrolle. Es ist wichtig, dass sich die Metallarbeiter auch in dieser Frage nach der Entscheidung ihrer Kollegen bei Renault orientieren.
Die Metallarbeiter, die den Kampf aufnahmen, haben der gesamten Arbeiterklasse gezeigt, wie die Herrschaft der Gewerkschaftsbürokratie umgestürzt werden kann. Nun kommt es darauf an, mit dem nötigen Mut und der Eigeninitiative weitere Schritte zu unternehmen und die Einheit der Arbeiter zu erreichen, die sich in diesem Kampf hervorgetan haben.

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