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FlugzeugreinigerInnen von Klüh feiern ihren Erfolg

Christian Frings
Vor anderthalb Jahren, am 20. Juni 2010, hatten die Putzfrauen und -männer, die für den Reinigungsmulti Klüh am Düsseldorfer Flughafen im Minutentakt die Flieger von Air Berlin und anderen Airlines reinigen, zu einer Veranstaltung eingeladen. Damals diskutierten einige wenige Politiker von SPD und Linkspartei und Gewerkschaftsvertreter von ver.di und IG BAU, was gegen die drohende Schließung des Betriebs und die damit beabsichtigte Zerschlagung einer kämpferischen Belegschaft und ihrem Betriebsrat getan werden könnte. Die Beschäftigten von Klüh und viele andere ArbeiterInnen aus Betrieben mit ähnlichen Problemen (DPD Duisburg, UNIVEG, Kiekert Heiligenhaus u.a.) hörten sich damals in der Schule am Duisburger Dellplatz geduldig die vollmundigen Versprechungen der Politiker und Gewerkschaftsvertreter an. Aber die Stimmung und die Diskussion unter den versammelten 150 überwiegend migrantischen ArbeiterInnen zeigten, wie bewusst ihnen war, dass es letztlich auf ihre eigenen Aktionen und ihre Hartnäckigkeit ankommen würde.
Dank dieser Hartnäckigkeit und der Unterstützung von ArbeiterInnen aus anderen Betrieben konnten die Klüh-Leute am 11. Dezember 2011 zu einer Solidaritätsfeier einladen. Diesmal feierten wieder etwa 150 Menschen am selben Ort den beachtlichen Erfolg in einem Konflikt, der sich über zwei Jahre hingezogen hatte – und der sicher noch lange nicht zu Ende ist. Trotz einer Drohkulisse mit dem berüchtigten Düsseldorfer Unternehmeranwalt Helmut Naujoks („Kündigung von Unkündbaren“) und trotz des Zuredens von allen Seiten, doch auf eine gütliche Einigung mit Abfindungen einzugehen, blieb ein Teil der Entlassenen, die kein Arbeitsangebot von der Klüh-Tochterfirma DLG erhalten hatten, stur. Sie klagten vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf auf ihre Weiterbeschäftigung, weil es sich in ihren Augen nicht um eine Betriebsschließung, sondern um einen Betriebsübergang handele. Für diesen Fall sieht der § 613a BGB vor, dass alle Beschäftigten übernommen werden müssen und für ein Jahr ihre alten Arbeitsbedingungen behalten. Mit Aktionen auf der Straße und im Terminal des Flughafens sorgten sie mit Hilfe ihrer UnterstützerInnen aus anderen Betrieben zugleich dafür, dass der Konflikt politisiert und in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass es Klüh und dem Hauptauftraggeber Air Berlin nur darum ging, die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern und alle die Hindernisse für eine grenzenlose Ausbeutung und das Unternehmerdiktat abzuschaffen, die die Belegschaft und ihr Betriebsrat in jahrelangen Auseinandersetzungen durchgesetzt hatte.
Die ersten Prozesse vor dem Arbeitsgericht waren eine niederschmetternde Erfahrung. Ein Richter nach dem anderen entschied gegen die Beschäftigten und gab dem Unternehmer recht – es handele sich nicht um einen Betriebsübergang. Trotzdem gaben die ArbeiterInnen nicht auf. Mit Flugblättern und Kundgebungen vor dem Arbeitsgericht wurde weiter auf diesen Skandal aufmerksam gemacht und immer wieder auf die wirklichen Hintergründe des Manövers der angeblichen Betriebsschließung hingewiesen. Die Wende kam mit dem Urteil am 11. März 2011, als Arbeitsrichter Oliver Klose entschied, dass es sich sehr wohl um einen Betriebsübergang handele und daher die KlägerInnen bei der DLG weiterbeschäftigt werden müssten (siehe zu den rechtlichen Details: „Kampfmittel Auslagerung – neue Urteile zum § 613a“, https://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/rg/frings2.pdf).
Wie zu erwarten ging die Firma gegen das Urteil in die Berufung und hoffte, beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf mehr Erfolg zu haben. Ein pikantes Detail, was den weiteren Gang der Verfahren beeinflusst haben dürfte: Besagter Richter Klose wurde wenige Tage später zum Richter am Bundesarbeitsgericht gewählt. In den Verfahren vor verschiedenen Kammern des Arbeitsgerichts war er auch der erste gewesen, der eine gründliche Beweisaufnahme vornahm, sich nicht wie seine Kollegen zuvor mit schwammigen Angaben der Firmenleitung zufrieden gab und überdies die neuere Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigte – und damit in diesem Fall faktisch zu einer Korrektur der bisherigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts kam. So war es nicht allzu verwunderlich, dass sich das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 28. September 2011 seinem Urteil anschloss. Für die 13 KollegInnen von Klüh, die noch auf Weiterbeschäftigung klagten, war das ein großer Erfolg – zumal das Gericht die Revision beim Bundesarbeitsgericht nicht zuließ.
Damit müssen jetzt alle 13 von der DLG eingestellt und ihnen der entgangene Lohn für die Zeit seit dem 1.1.2011 nachgezahlt werden. Für die betroffenen ArbeiterInnen ist dies eine große Erleichterung, da sie sich fast ein Jahr lang mit dem Arbeitsamt und einem drastisch verringerten Einkommen herumschlagen mussten. Rechtspolitisch hat das Landesgericht den Fall allerdings mit seinem Urteil heruntergespielt und damit wieder entpolitisiert. Denn es begründet die Nichtzulassung der Revision damit, dass dem Fall keine „grundsätzliche Bedeutung“ zukomme – und was noch auffälliger ist: Während im Urteil des Arbeitsgericht und im Leitsatz seiner Veröffentlichung betont wurde, dass bei einem Betriebsübergang auch zu berücksichtigen sei, ob im Vorfeld LeiharbeiterInnen von der neuen Firma eingesetzt wurden, um sich schon das nötige Knowhow anzueignen, ist in der Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts kein Wort zur Rolle der Leiharbeit zu finden. Ganz offensichtlich soll damit die Bedeutung dieser Wende in der Rechtssprechung zum Betriebsübergang wieder heruntergespielt und insbesondere das Problem der Leiharbeit ausgeklammert werden, obwohl es in der Wirklichkeit des Arbeitslebens eine immer größere Rolle spielt.
Auf der Feier am 11. Dezember freuten sich die KollegInnen aber zu Recht über ihren Erfolg – auch um sich ihre gegenseitige Solidarität für die kommenden Auseinandersetzungen zu versichern. Denn wenn sie jetzt wieder bei der DLG Flugzeuge putzen, werden sie keinen leichten Stand haben. Sie kommen in einen Betrieb, in dem wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen und in dem der amtierende Betriebsrat eng mit der Unternehmensleitung zusammenarbeitet. Der Kampf wird also wieder von vorne beginnen. Besonders ermutigend und interessant war daher die Rede eines Kollegen der Firma Ergo Logistik, zu der die DPD in Duisburg 2006 einen Teil ihrer Arbeiten im dortigen Depot ausgelagert hatte. Er schilderte, wie sie es in einem zähen Ringen, auch um die Geschlossenheit der Belegschaft, geschafft hatten, dort den Kampf aufzunehmen und schließlich wieder Tarifverträge durchzusetzen, die eine faktische Lohnerhöhung von 40 Prozent und bessere Arbeitsbedingungen bedeuteten. Damit sei das Projekt der Prekarisierung durch die DPD bei ihnen gescheitert und das Beispiel zeige, wie sich Belegschaften auch in solchen Fällen der Auslagerung durchsetzen können. Und er verwies darauf, wie wichtig es war, dass sich die KollegInnen von DPD und Klüh von Anfang an in ihren Konflikten gegenseitig unterstützt hatten. Am Ende der Feier wurde zum dröhnenden Rhythmus einer großen Davul-Trommel und einer türkischen Zurna-Flöte ausgelassen getanzt …

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