Written by 11:22 HABERLER

In Jamel gibt es seit Jahren einen Kampf gegen die Neofaschisten

Edith Belz
In der Nacht vom 12. auf den 13. August wurde die Scheune von Birgit und Horst Lohmeyer in Jamel, 70 km von Rostock entfernt, in Brand gesetzt. Dies wurde auch in den deutschen Nachrichtensendern wie der ARD gezeigt. Seitdem ist das Dorf Jamel in ganz Deutschland bekannt.

Dieser Scheunenbrand ist nicht einfach irgendein Fall
Birgit und Horst Lohmeyer haben Anfang dieses Jahrhunderts entschieden, aus Hamburg aufs Land zu ziehen. In Jamel haben sie den alten Forsthof gekauft, auf den 7500 m² standen ein Haus, eine Scheune und jede Menge Obstbäume.
Sie mussten nach kurzer Zeit feststellen, dass in dem Dorf, in dem es nur 10 Häuser mit 35 Bewohnern gibt, die Mehrheit faschistischer Gesinnung sind. Die Häuser, die verkauft werden, werden nach und nach aufgekauft und an Gleichgesinnte vermietet, die Kinder begrüßen sich auf Straße mit dem Hitlergruß und die Bewohner streben an, eine national befreite Zone mit diesem Dorf zu schaffen.
70% der Einwohner haben eine faschistische Gesinnung und trotzdem haben die Lohmeyers sich entschieden, etwas dagegen zu unternehmen. Birgit ist Schriftstellerin, Horst ist Gitarrist. Im Jahre 2004 haben sie mit einem kleinen Sommerfest für ihre Verwandten, Bekannten und Freunde begonnen. Bis dahin war die Situation so, dass durch die Aktivitäten der Faschisten im Dorf der Ruf des Ortes beschädigt war. Selbst Menschen, die durch Zufall in die Gegend gerieten, hatten Angst, ins Dorf hinein zu fahren. Um mehr Gehör zu finden, haben die Lohmeyers im Jahr 2007 entschieden, dass viele Gruppen teilnehmen und sich auch Amateur-Musikgruppen präsentieren sollen, so entstand das Open-Air-Festival unter dem Motto „Rockmusik für Demokratie und Toleranz“ mit dem Titel „Jamel rockt den Förster“.
Das Festival, an dem ca. 400 Menschen teilnahmen, hat langsam angefangen, im Land und Bund Aufmerksamkeit zu finden. Deswegen hat das Festival jedes Jahr unter verschiedenen Schirmherrschaften von unterschiedlichen Politikern stattgefunden, auch wenn leider kein einziger dieser Schirmherren bisher am Festival teilgenommen hat.
Birgit und Horst Lohmeyer erzählen über ihr Leben in Jamel: „Als erstes wurden wir auf der Straße beschimpft. Aber die Angriffe haben sich von Jahr zu Jahr nach jedem Festival und jedem erhaltenen Preis von unterschiedlichen Organisationen, gesteigert. Weiter ging es mit Nazi-Aufklebern auf dem Postkasten, dem Diebstahl des Postkastens, das Zerstechen der Autoreifen bis hin zum Ansägen von Obstbäumen in unserem Garten.“
Zuletzt haben sie einen Drohbrief bekommen (sinngemäß): Seitdem ihr hier seid und angefangen habt dieses Festival zu organisieren, habt ihr den Ruf unseres Dorfes beschädigt. Dazu habt ihr kein Recht. Passt auf und benehmt euch.

Dieses Jahr hat ein noch größeres Festival stattgefunden
Jedes Jahr können die Teilnehmenden auf dem Grundstück der Lohmeyers im Zelt übernachten. Die Eintrittskosten sind gering und die Übernachtung ist darin enthalten. In diesem Jahr hat die IG-BAU den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage, der nach dem ehemaligen Vorsitzenden der Gewerkschaft benannt ist, verliehen. Am 28. und 29. August 2015 hat zum ersten Mal mit Sylvia Bretschneider (Präsidentin des Landtags Mecklenburg-Vorpommern) die Schirmherrin am Festival teilgenommen. Auch die IG-BAU hat mit vielen Mitgliedern teilgenommen und ihren Preis persönlich übergeben. Außerdem sind, nachdem bekannt wurde, dass die Scheune auf dem Forsthof abgefackelt wurde, auch die Toten Hosen auf dem Festival aufgetreten.
Am Samstag kamen Fans aus ganz Deutschland angereist, unter starker Polizeipräsenz haben über Tausend Menschen teilgenommen. Zum ersten Mal mussten die Kassen geschlossen werden und viele Leute konnten dem Konzert nur vom Parkplatz aus zuhören. Mit dem diesjährigen Festival ist das Ehepaar sehr zufrieden.
Warum macht das Ehepaar Lohmeyer das alles mit?
Gleich am Dorfeingang sieht man ein Wandbild mit neonazistischen Sprüchen, auf dem Grundstück des maßgebenden Faschisten im Dorf steht ein Wegweiser, der auch den Weg nach Braunau, dem Geburtsort Hitlers, zeigt.
Die Frage ist, lohnt sich dieser ganze Aufwand für ein Dorf, in dem nur sieben faschistische Familien wohnen? Das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer antwortet: „In unserem Land haben wir den Hitler-Faschismus erlebt. Das Ergebnis haben wir gesehen. Wir wollen nie wieder Faschismus in unserem Land. Wir als 68`er Generation haben dieses Versprechen gegeben. Wir wissen nicht, wie lange wir solche Festivals, die nur durch Unterstützung finanziert werden, durchführen können. Aber wir werden auf jeden Fall nächstes Jahr Ende August unser 10-jähriges Festival-Jubiläum feiern. Vielleicht werden wir irgendwann unser Haus verkaufen müssen. Aber wir werden nie an einen Faschisten verkaufen. Wenn wir verkaufen, entweder an eine Gewerkschaft als Bildungsstätte oder an irgendeine Person mit demokratischer Einstellung. Dieses Land ist unser Land.“ „Außerdem“, sagen sie: „Ist es nicht eine Niederlage, wenn wir das Feld den Faschisten überlassen? Was eigentlich vergessen wird: Mit diesem Festival, das wir veranstalten, versuchen wir durch die Medien in ganz Deutschland für die Situation von Jamel Aufmerksamkeit zu schaffen.
Und was wir noch sagen wollen: Erst brennen die Wohnunterkünfte für Asylbewerber, jetzt brennen die Häuser der engagierten Bürgerinnen und Bürger. Stellen wir uns wirklich ausreichend dem Problem der rechten Gewalt?

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