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Kämpferische Gewerkschafter machen Druck

Der vergangene 26. Mai ist ein kleiner Etappensieg in der Geschichte der Arbeiterklasse der Türkei. Landesweit legten zehntausende Arbeiterinnen und Arbeiter in ihren Betrieben, im öffentlichen Dienst, in den Krankenhäusern und anderen zivilen Einrichtungen ihre Arbeit nieder. Die großen Gewerkschaftsverbände, wie KESK, DISK, KAMU-SEN und TÜRK-IS hatten zuvor den 26. Mai als Tag des Generalstreiks ausgerufen. Doch alle hielten sich nicht daran!
Die Gründe
Die wirtschaftliche und soziale Lage der Türkei hat sich mit der Krise weiterhin verschlechtert. Von den seit Monaten streikenden TEKEL-Mitarbeitern bis hin zur Misere im Bildungssystem wird die Kluft zwischen arm und reich immer größer. Angesichts dieser Entwicklung legten die Gewerkschaften im Februar dieses Jahres der Regierung ein 12 Punkte Plan vor, in dem sie  unter anderem die Erhöhung des Mindestlohnes forderten. Sie erklärten, falls ihre Forderungen bei der Regierung keinen Gehör finden sollte, werde man am 26. Mai einen Generalstreik durchführen.

Die Haltung der   Gewerkschaften
Am 22. Februar zeigten sich zunächst alle Spitzen der Gewerkschaftsverbände bezüglich des Generalstreiks entschlossen. Je näher der Streik allerdings rückte, desto mehr entfernte sich zunächst die TÜRK-IS von dem Generalstreik und forderte stattdessen entweder den 26. Mai zu verschieben oder die Arbeit nur für eine Stunde niederzulegen. Dieser Rückzieher war insofern auch sehr skandalös, weil just in den Tagen 30 Minenarbeiter eines Subunternehmens in Zonguldak bei einem Grubenunglück ihr Leben verloren hatten! Also nicht nur die Tatsache, dass keine einzige Forderung des 12 Punkte Plans der Gewerkschaften von der Regierung bis dahin erfüllt war, sondern es bestand angesichts der getöteten Bergarbeiter ein konkreter und dringender Anlass eines landesweiten Streiks gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Dass die TÜRK-IS eine solche Position einnahm, war allerdings nicht sehr verwunderlich. Denn zum einen ist der Vorsitzende, Kumlu, ein Gründungsmitglied der islamisch konservativen Regierungspartei, AK-Partei, und zum anderen ist es die Geschichte der TÜRK-IS. Nachdem Militärputsch am 12. September 1980 wurden die Gewerkschaften entmachtet. Einige Zeit später formierten sich die Gewerkschaften wieder neu. Doch die in den Gewerkschaften herrschende und dem Kapital und Staat unterwürfige reaktionäre Linie führte dazu, dass die bis dato erkämpften Arbeitnehmerrechte ohne große Gegenwehr abgebaut wurden.
Die Bestrebungen der TÜRK-IS den beschlossenen landesweiten Aktionstag zu vertagen bzw. zu verwässern wurden auch von den anderen beiden Verbänden, KAMU-SEN und der DISK, unterstützt. Nur der Dachverband von Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, KESK, hielt an der Streikentscheidung fest und setzte sie um.
An der Basis brodelt es
Trotz des Umschwenkens der Verbandsspitzen war der Generalstreik in gewissem Maße erfolgreich. Vor allem im öffentlichen Dienst kam es landesweit zu ganztägigen Arbeitsniederlegungen; in allen wichtigen Industriestandorten wurde partiell gestreikt und massenhaft demonstriert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Basisstrukturen der Gewerkschaften an dem Streik festhielten. Die verräterische Haltung der Verbandsspitzen löste eine Welle der Empörung unter den Arbeitern, aber insbesondere unter den aktiven Gewerkschaftlern aus. Bezeichnend war dabei die Reaktion der Istanbuler Verwaltungsstellen der Gewerkschaften des Dachverbands von TURK-IS gewesen. Am Aktionstag versammelten sie sich vor der Verwaltungsstelle der TÜRK-IS, die zwei Tage vorher schon von den Tekel-Arbeitern besetzt worden war. Die Gewerkschafter und aktive Arbeiter protestierten somit nicht nur die Regierung, sondern auch die Führung des eigenen Dachverbands.
Welche Art von Gewerkschaften brauchen wir?
Dieser Generalstreik war somit nicht nur ein Kampf gegen die Angriffe der Regierung und des Kapitals, sondern auch ein Kampf gegen den eigenen bürokratischen Gewerkschaftsapparat. Die Konferenz der Emek Partei am 24. Mai war kennzeichnend dafür, dass die Stimmen der kämpferischen Kräfte in den Gewerkschaften, gegen die Gewerkschaftsbürokratie und die sogenannte Sozialpartnerschaft immer lauter werden. Die Suche nach einer Alternative mit gemeinsamer und entschiedener Anstrengung Konturen gewinnen muss, und dass dazu Möglichkeiten und das Potenzial an kämpferischen Arbeitern und Gewerkschaftlern vorhanden sei, wurde auf der Konferenz von den über 300 TeilnehmerInnen deutlich gemacht. Neben Emek Partei Vorstandsmitgliedern und  vielen Betriebsräten, Gewerkschaftsaktivisten haben auch mehrere Gewerkschaftsvorsitzende aus den drei großen Gewerkschaftsdachverbände  und Akademiker an der Konferenz teilgenommen. Eines der Hauptdiskussionspunkte war, wie die Beschlüsse in den Gewerkschaftsspitzen getroffen werden. Die Basis müsse die Beschlüssen mit bestimmen können und nicht im nachhinein über die Beschlüsse benachrichtigt werden. Auch die Gewerkschaftliche Bildungsarbeit müsse sich nach den Bedürfnissen des Klassenkampfes orientieren, so die Konferenzteilnehmer.

Onur Kodaş

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