Written by 11:13 HABERLER

Karlheinz Deschner- ein Kritiker, auch seiner selbst

Deschner

Die Kirche zu kritisieren ist heute nichts ungewöhnliches mehr. Es gehört sogar fast schon zum guten Ton. In den frühen 60er Jahren war das jedoch noch anders. Der christliche Glaube nahm einen viel größeren Stellenwert in der deutschen Gesellschaft ein und mit ihm auch die katholische oder evangelische Kirche. Jedoch gab es damals auch schon Menschen, die die Verbrechen der Kirche darlegten. Am 8. April 2014 ist nicht nur einer der akribischsten Autoren unserer Zeit, sondern auch einer der größten Kritiker an der christlichen Kirche  -Karlheinz Deschner, gestorben.

Deschner wurde am 23. Mai 1924 als Sohn eines katholischen Vaters und einer protestantischen Mutter in Bamberg geboren. Seine frühen Lebensjahre waren stark vom Katholizismus geprägt. Eine Zeit lang lebte er sogar in einem Franziskanerkloster, wo er auch die Schule besuchte. Später meldete er sich zum Kriegsdienst und wurde Soldat im 2. Weltkrieg. 1956 veröffentliche Deschner sein erstes Buch „Die Nacht steht um mein Haus“. Bereits ein Jahr später erschien sein erstes kirchenkritisches Werk „Was halten Sie von Christentum?“. Mittlerweile hatte sich Deschner vom christlichen Glauben abgewandt und war Atheist geworden. 1962 kam dann eines seiner größten und bekanntesten Werke, mit dem er sich endgültig einen Namen als Kirchenkritiker machte, heraus: „Abermals krähte der Hahn“.

Auf über 700 Seiten stellte Deschner hier die Entstehung der antiken Kirche bis über das Mittelalter zur Neuzeit kritisch dar. Das Entstehen der Evangelien im neuen Testamten beschreibt er, wie folgt: „Wie die Textgeschichte lehrt, wurde am meisten und vor allem absichtlich in der ältesten Zeit geändert, weil nämlich die Evangelien, wie wir gleich sehen werden, fast ein Jahrhundert lang gar nicht als heilig und unantastbar gegolten haben. Man strich und setzte zu, paraphrasierte und erging sich in der Ausmalung von Details, man erzählte überhaupt mehr nach, als dass man korrekte Kopien lieferte. Bis gegen 200 verfuhr man mit den Evangelien nach Bedarf und Geschmack. Doch haben sie auch spätere Abschreiber noch verändert, neue Wunder eingefügt oder die vorhandenen weiter gesteigert“.

Außerdem behandelte das Buch Themen, wie die Anfänge des Papsttums, die Rolle der Frau und den Umgang der Kirche mit Juden, Heiden und „Ketzern“. Bis heute wird ihm die Einseitigkeit seiner Schriften vorgeworfen. Jenes stritt er nie ab, jedoch entgegnete er, dass es auch genug einseitige Werke zum Vorteil der Kirche gäbe. Es ist allerdings kaum möglich etwas an seinen Fakten auszusetzen. Allein für „Abermals krähte der Hahn“ bezog sich Deschner auf über 700 Sekundärquellen. Wichtige Schwerpunkte für Deschner waren auch die Verbindungen der Kirche zu faschistischen Diktatoren, wie Hitler, Mussolini oder Franco.

„Kein Wunder, wenn die gesamte katholische Welt jubelte, nicht zuletzt das gläubige Deutschland, wo die katholische Presse die Verbrüderung von Vatikan und Faschismus als die «Stunde Gottes» pries, als «das größte und glücklichste Ereignis, das die Weltgeschichte seit einem Jahrhundert erlebt» hat, und Mussolini den Zerschneider des gordischen Knotens nannte, – das «Feuer des guten Willens», den «Genius der Politik» und dergleichen mehr. Auch Adolf Hitler, der damals geradezu seherisch die Zeit nahen fühlte, «da der Papst es begrüßen wird, wenn die Kirche vor den Parteien des Zentrums durch den Nationalsozialismus dereinst in Schutz genommen werden wird», schien nicht minder glücklich als sein späterer Gefolgsmann Kardinal Faulhaber, der die Verträge als «Gottestat» feierte, oder der Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer, der Mussolini in einem Glückwunschtelegramm versicherte, sein Name werde in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen“ , heißt es in „Kirche und Faschismus“ (1968). Deschner beschrieb hier und in vielen anderen Werken die Gemeinschaft von Kirche und Faschismus. Schließlich hieß es einen gemeinsamen Feind zu besiegen: den atheistischen Kommunismus, verkörpert durch die Sowjetunion. Natürlich waren seine Kritik und die satirische Note, mit der er sie ausdrückte, auch nicht ungefährlich für ihn. Kirchenkritik war damals kein Kavaliersdelikt. Von den Mainstream Medien wurde er ignoriert oder sogar verrissen. 1971 wurde er in Nürnberg wegen „Kirchenbeschimpfung“ vor Gericht gestellt, jedoch nicht verurteilt.

Das Hauptwerk Karlheinz Deschners bildet „die Kriminalgeschichte des Christentums“.  Was als kurzes Buch geplant war, entwickelte sich zu einem 10-teiligen und fast 6000-seitigem Epos über die Verbrechen der Kirche, dessen Fertigstellung 27 Jahre dauerte. Die Juden- und Heidenverfolgung, „heilige“ Kriege, wie die Kreuzzüge, Schwindel, die Legitimierung der Sklaverei, die Machtgier der Päpste, die Inquisition, die Hexenverfolgung und die christliche Missionierung sind nur einige der Themen, die er dabei ansprach. Dabei prangerte er genauso die Verbrechen der katholischen, wie auch der evangelischen Kirche an. Er erinnerte daran, dass Martin Luther die Verbrennung von jüdischen Synagogen forderte und die Bauernaufstände bekämpfen wollte. Auch heute noch gilt die „Kriminalgeschichte des Christentums“ als eines der größten Werke überhaupt. Die Päpste „Benedikt XVI.“ und „Franziskus“ kamen in seiner Chronologie nicht mehr vor, jedoch sagte er über Joseph Ratzinger: „Wenn er gekonnt hätte, wie er wollte, hätte der deutsche Papst das Rad der Geschichte so weit zurückgedreht, dass von den Errungenschaften der Moderne nur noch wenig übrig geblieben wäre“  und über Franziskus: „Gewiss wird jeder Papst seine Rolle etwas anders spielen, aber jeder Papst spielt dieselbe Rolle – und einstweilen spielt die Welt auch noch mit“.

Natürlich bildete die Kirchenkritik das Hauptwerk Deschners. Die wenigsten kennen jedoch seine gesellschaftskritischen Werke. In „der Moloch“ rechnet er mit dem „american way of life“ und den imperialistischen Militärinterventionen der USA ab: „Seit Ende des letzten Golfkrieges, des so genannten zweiten, womit dieses Buch schließt, ist ein Jahrzehnt vergangen, und nun droht eil: dritter Golfkrieg. Dabei wurden während des zweiten Krieges am Persischen Golf bei den ersten Attacken der USA und ihrer Komplizen 200 000 Menschen zusammengebombt, dann durch weitere Angriffe und ein stetig fortgesetztes, äußerst effizientes Embargo, durch einen stillen Massenmord, so schätzt man, vielleicht bis zu zwei Millionen Menschen getötet, darunter 500 000 irakische Kinder. Nach ihren Gefühlen befragt, kommentierte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright: »Das ist der Preis«. Das gegenwärtige Haupt der »Neuen Weltordnung« aber avisiert uns inzwischen immer wieder den nächsten, den dritten Golfkrieg, als werde er ein wahrhaft weltbeschenkendes Werk. Und zumindest das Walten der Vorsehung, ist wunderbar, scheint es doch, als habe Bush-Vater bei all den Blutopfern am Golf den schlimmsten Schurken dort nur deshalb überleben lassen, damit Bush-Sohn ihn abermals bekriegen kann“. Und in „Was ich denke“ heißt es: „Soweit wir zurückschauen, scheint es geradezu der Hauptzweck von Imperien, von Staaten zu sein, unter wechselnden Firmierungen, wechselnden Figuren, wechselnden Parolen, die Völker zu weiden, zu scheren und zu schlachten; daß dies alles meist noch nach Recht und Gesetz geschieht, setzt dem Ganzen die Krone auf. So gesehen, ist die einzige Kunst, der nie etwas Neues einzufallen braucht, die Staatskunst; ist auch Demokratie nur der Trick, dem Volk im Namen des Volkes feierlich das Fell über die Ohren zu ziehen; ist das einzige System , das – vorerst – Vertrauen verdient, das Sonnensystem“. In den letzten Jahren war es leise geworden um Karlheinz Deschner. Den meisten jungen Menschen sagt sein Name fast gar nichts mehr. Und so verlor die Welt am 8. April ganz still und leise einen der lautesten Autoren unserer Zeit. Denn egal, was man von Karlheinz Deschner halten mochte, eines konnte man nicht bestreiten: er war ein echter Kritiker. Nicht nur der Kirche. Denn wie er einst über sich sagte: „Ich bin ein Kritiker, auch meiner selbst. Ich habe ein Schafott in mir“.

 

Alev Bahadir

Close