Written by 12:06 HABERLER

„Keinen Zwang akzeptieren“

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Die Debatte um ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa (TTIP) verursacht in Deutschland seit Monaten Aufregung. Jetzt hat Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel zugesagt, sich strikt an die von der SPD gemeinsam mit den Gewerkschaften formulierten Bedingungen zu halten, bei denen es hauptsächlich um moralische Appelle und Sollte-Würde-Formulierungen handelt. „Wir werden keinen Zwang zur weiteren Liberalisierung oder Privatisierung akzeptieren. Wir werden keine Sozialstandards absenken und auch keine Umwelt- und Verbraucherschutzstandards“, beteuerte der SPD-Chef. „Keinen Zwang akzeptieren“ aus dem Mund eines SPD`lers lautet sowieso: Liberalisierung und Privatisierung machen wir eh freiwillig, denn zugleich machte er deutlich, dass das Abkommen wichtig sei, damit sich Europa nicht verminderten Standards anpassen müsse, wie sie zwischen den USA und asiatischen Staaten festgelegt würden. „Die Parlamente werden nicht ausgehebelt. Und wir werden, da bin ich absolut sicher, auch keine Privatisierung der Schiedsgerichtsbarkeit erleben.“ Diese Frage ist besonders umstritten, denn die geplante Regelung zum Investorenschutz könnte es Unternehmen ermöglichen, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen.
Bereits in dem ersten Punkt des SPD-/Gewerkschaftspapiers wird schon klar, dass dem TTIP-Abkommen zugestimmt wird, lediglich Schönrederei wird in den folgenden Punkten betrieben: Im ersten Punkt heißt es: „Handelsgespräche zwischen den großen Wirtschaftsräumen USA und EU, die in ein Freihandelsabkommen münden, eröffnen die Chance die bilateralen Handelsbeziehungen zu intensivieren und dabei fair und nachhaltiger zu gestalten. Das Abkommen könnte auch dazu beitragen, faire und nachhaltige Handelsregeln global voranzutreiben und Maßstäbe zu setzen. Es geht darum, zusätzlichen Wohlstand tatsächlich breiten Bevölkerungsschichten zukommen zu lassen, wirtschaftliche, soziale und ökologische Standards zu verbessern, sowie faire Wettbewerbs- und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen.“
Wir beobachten in Deutschland seit mindestens anderthalb Jahrzehnten einen Sozialabstieg, der weltweit seinesgleichen sucht, eine Zunahme des Wohlstandes in den besseren Einkommensschichten und demgegenüber eine Prekarisierung in allen anderen Schichten und Klassen, Altersarmut, eine Abnahme der Ökologie- und Umweltstandards, die Durchlöcherung von Arbeiterrechten und Verschärfung der Arbeitsbedingungen bei weniger Gehalt. Und da soll ein neoliberales TTIP-Abkommen Verbesserung versprechen? Niemals!
Gabriels Verwirrspiel soll nur die Gemüter beruhigen und den Protest gegen so ein Abkommen mildern. Ziel des TTIP ist der Abbau von so genannten „nicht-tarifären Handelshemmnissen“. Als Handelshemmnis können die Vertragspartner alles definieren: Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte.
Richtig gefährlich wird TTIP, wenn es erst einmal in Kraft ist. US-Konzerne können dann europäische Staaten verklagen, wenn deren Gesetze ihre Gewinne schmälern. Die Urteile fällen keine Richter, sondern von den Konzernen selbst ausgewählte Wirtschaftsanwälte. US-Produkte müssten nicht mehr europäische Verbraucherschutz- und Tierschutzstandards einhalten, um in der EU verkauft zu werden. Regeln zur Bankenaufsicht und zur Zügelung der Finanzmärkte können aufgeweicht werden – und die nächste Bankenkrise wird wieder von den Bürger/innen statt von den Banken bezahlt. Eine Privatisierungswelle wird folgen usw.
Daher muss die Parole lauten: Weg mit TTIP, statt Verbesserungsverprechen!

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