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Wessen Abgeordnete?

 

Özlem Alev Demirel *

 

In den letzten Wochen stand in NRW ein Thema ganz vorne in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit: Das Thema Diätenerhöhung für die Altersversorgung der Abgeordneten. Im Dezember letzten Jahres brachten die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen eine Änderung des Abgeordnetengesetzes auf den Weg. Diese beinhaltete 500 Euro mehr für die Altersvorsorge von Abgeordneten.

Angesichts der derzeitigen Streiks von hunderttausenden Europäern, weil ihnen durch die Spardiktate auch der deutschen Regierung, die Renten und Löhne gekürzt werden und ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird, ist diese Erhöhung ein Zeichen dafür, dass die NRW-Abgeordneten den Bezug zu den Auswirkungen des eigenen Handelns verloren haben. In Griechenland liegt das Einstiegsgehalt eines Lehrers mittlerweile bei nur noch 600 Euro – und in NRW wurden die Abgeordnetendiäten um 500 Euro erhöht.

Hintergrund der ganzen Diskussion ist eine in NRW im Jahr 2005 durchgesetzte Reform der Abgeordnetenbezüge. So wurden alle steuerfreien Pauschalen, extra Aufwendungen sowie der automatische Pensionsanspruch von Abgeordneten nach zwei Legislaturperioden abgeschafft. Stattdessen werden seitdem eine Diät in Höhe von zunächst knapp unter und später etwas mehr als 10.000 Euro ausgezahlt. Hiervon sollten nun alle Abgeordneten selber für all ihre Unkosten, wie Material und Büros etc. aufkommen. Hinzu kam, dass alles komplett zu versteuern war und kein automatischer Rentenanspruch bestand, sondern alle Abgeordneten selber von ihrer Diät in ein eigens eingerichtetes Versorgungswerk für Abgeordnete einzahlen sollten. Nun arbeitet dieses Versorgungswerk nicht wie das gesetzliche Umlagesystem, sondern wie jede privatwirtschaftliche Altersvorsorge. Aus den eingezahlten Beiträgen wird in verschiedene Fonds investiert und aus der Rendite wird die Altersvorsorge für Abgeordnete finanziert.

Damals habe man sich auf dieses Modell eingelassen, weil damals zugesichert wurde, dass Abgeordnete „wenigstens“ 60% von den alten Pensionsansprüchen ausgezahlt bekommen, so CDU, SPD und Grüne. Da nun inzwischen klar geworden ist, dass diese 60 % nicht gewährleistet werden kann, sollten Abgeordnete 500 Euro mehr Brutto erhalten. Dieser Bruttobetrag soll komplett und direkt an das Versorgungswerk weitergeleitet werden, sprich statt wie bisher ca. 1.600 sind es nun 2.100 Euro.

Kein normaler abhängig Beschäftigter kann monatlich 1600 Euro für die Altersvorsorge einzahlen – geschweige denn 2100 Euro.

Es ist kein Zufall, dass genau die Parteien sich über die gefährdeten Renten beklagen, die durch die Zustimmung zu Hartz IV für Altersarmut für Millionen gesorgt haben. Sie fühlen sich als Teil einer Elite, die etwas Besseres verdient hat, als die normale Bevölkerung und „Wasser predigen und Wein trinken“ kann.

Es sind auch wieder diejenigen, die permanent der Bevölkerung erzählen, dass sie ihren Gürtel enger schnallen müssen und beispielsweise kein Geld für eine bessere Kindertagesstätten-Finanzierung oder ein Sozialticket für maximal 15 Euro vorhanden ist.

Dieses elitäre Denken hat sich bei SPD und Grünen in den letzten Jahren immer weiter verbreitet. Auf der einen Seite wurde Hartz IV eingeführt und die Rente erst ab 67 befürwortet und auf der anderen Seite werden „Krokodilstränen“ vergossen, wenn es um die eigene angeblich zu niedrige Rente geht.

Dass Politiker für ihre Abgeordnetentätigkeit überhaupt vergütet werden, ist eine Errungenschaft der Arbeiterbewegung. Zu Beginn des Parlamentarismus bekamen die Abgeordneten keine Vergütung und nur Reiche konnten es sich leisten, professionell Politik zu betreiben.  Doch heute orientieren sich die Abgeordneten mittlerweile nur noch an den Einkünften der Manager in der Privatwirtschaft mit denen man „auf Augenhöhe“ sein will. Eine Orientierung an Beschäftigten kommt den meisten nicht in den Sinn.

Festzuhalten bleibt, dass eine solche Diätenerhöhung nichts mit der Lebenssituation der normalen abhängig Beschäftigten zu tun hat. Ihre Reallöhne gehen seit Jahren zurück und keiner kann bei Rentenkürzungen einfach die Löhne erhöhen, um höhere Rentenansprüche zu erreichen. Die Heuchelei der bürgerlichen Abgeordneten kommt gerade in Zeiten von „Schuldenbremsen“ und sozialen Kürzungen ganz zum Vorschein.

 

* Abgeordnete des NRW-Landesparlamentes für die Linke

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